YouTubeInstagram

Ueber-uns.gif

Adivasi-Netzwerk AMS:

Erhalt von Traditionen

Belebung von Traditionen und Glaube

Die 15.000 Adivasi, die sich im Adivasi-Netzwerk AMS organisieren, haben ihre eigenen Traditionen. Sie sprechen Adivasi-Sprachen: Paniya, Mullakurumba, Bettakurumba, Kattunaicken und Irula. Sie haben je eigene Traditionen hinsichtlich Kleidung, Schmuck, religi?sen Riten und Feiern sowie d?rflichem Zusammenleben.

Gemeinsam sind ihnen als indischen Ureinwohner/innen eine enge materielle und spirituelle Beziehung zur Natur. Sie nutzen Waldprodukte f?r ihren Lebensunterhalt und leben gemeinsam mit der belebten Natur und den Ahnen unter ihnen. Beim Jagen und Sammeln beachten sie vielf?ltige Regeln des ?kologischen Umgangs mit der Natur. Nur einzelne Adivasi sind zum Christentum konvertiert. Die Adivasi sind auch keine Hindus, auch wenn religi?se Feste und Gebetszeremonien (Puja) durch viele Generationen des Zusammenlebens ?hnlichkeiten mit lokalen hinduistischen Traditionen aufweisen und Adivasi durchaus auch hinduistische Tempel besuchen.

Badchi, eine Adivasi der Bettakurumba, sagt ?ber die Religion der Adivasi:
"Es ist unser Gl?ck, dass unsere G?tter mit uns in unseren D?rfern und mit unserem Volk leben. So m?ssen wir sie nicht in einer Moschee, einem Tempel oder einer Kirche suchen. Religion, Konversion, Hindu, Muslim oder Christ zu sein, ist schwer zu verstehen. F?r uns sind die G?tter wichtig, nicht die Religion."

Dorf?lteste leiten religi?se Zeremonien, legen den Tag einer Hochzeit fest, vermitteln im Streit und berufen die Dorfversammlung ein, auch Frauen haben bestimmte Funktionen inne. Die Team-Mitglieder und Leiter der Dorfgruppen (Sangams) arbeiten gut mit den Dorf?ltesten zusammen.

Im Adivasi-Netzwerk AMS beleben die Adivasi die traditionellen Feste und religi?sen Zeremonien ihrer Adivasi-Gemeinschaften. Diese Traditionen wurden wieder belebt, indem die Animator/innen zum Beispiel organisieren, dass in den D?rfern Geld f?r die Feste gesammelt wird. Ein Mal j?hrlich f?hrt das Adivasi-Netzwerk AMS ein gro?es Adivasi-Festival durch, welches alle Adivasi der verschiedenen ethnischen Gemeinschaften miteinander verbindet und zu dem mehrere Tausend Adivasi kommen. Traditionelle Spiele, Musik und T?nze, Wettk?mpfe im traditionellen Bogenschie?en u.v.m. unterhalten die Adivasi auf dem Fest. Eine gemeinsame Gebetszeremonie, bei der f?nf Lichter f?r die f?nf Adivasi-Gemeinschaften entz?ndet werden, symbolisiert die gemeinschaftliche Identit?t und den Zusammenhalt als Adivasi.

Die Adivasi haben begonnen, alte heilige Haine (die Kavus) mit gemeinschaftlichen Zeremonien wiederzubeleben. Ein Team von jungen Adivasi kartierte bereits Dutzende solcher Kavu per GPS. Der n?chste Schritt ist, die Landrechte an St?tten, welche inzwischen von Nicht-Adivasi widerrechtlich eingenommen wurden oder inmitten von Teeplantagen liegen, geltend zu machen.


Kultur und Bildung

Traditionelles Wissen der Adivasi flie?t in die Bildungsarbeit ein und soll lebendig gehalten werden.

Es werden Lieder und T?nze dokumentiert und an der Adivasi-Schule unterrichtet. Die Adivasi-Sprachen werden verschriftlicht in Kooperation mit einem indienweiten Projekt zur Sprachenvielfalt. Bildungsteams arbeiten in den D?rfern mit Adivasi an der Erarbeitung von Bild-W?rterb?chern und einem Alphabet, aufbauend auf der Landessprache Tamil. In der Adivasi-Sprache Paniya wurden bereits ?berlieferte Geschichten der Paniya aufgeschrieben.

Ein Kulturzentrum der Adivasi als kleines, aber lebendiges Museum der Adivasi ist in Gudalur im Aufbau. Es richtet sich an G?ste in Gudalur ebenso wie an die junge Adivasi-Generation. Das Adivasi-Team des Kulturzentrum bereitet f?r die monatlichen gro?en Teamtreffen jeweils eine neue Einlage der kulturellen Bildung vor: mal werden Gerichte aus traditionell gesammelten Waldprodukten gereicht, mal ein Schattenspiel ?ber die Diskriminerung von Adivasi durch Geldverleiher aufgef?hrt, mal ein Film ?ber nordinische Adivasi.


Die Stellung der Frau

In der Arbeit unserer indischen Partner/innen arbeiten Frauen und M?nner gleichberechtigt zusammen. Sie arbeiten zusammen im Team, auch unter der F?hrung von Frauen, gehen zusammen auf Haus- und Dorfbesuche. Die Adivasi-Schule unterrichtet M?dchen und Jungen zusammen. 

Die Frau in den Adivasi-Gemeinschaften ist traditionell sehr frei und gleichberechtigt - auch wenn es traditionelle Rollen und Aufgaben f?r Frauen und M?nner gibt und Frauen bei der Heirat in der Regel in das Haus ihres Mannes ziehen. Frauen haben die gleiche Stimme wie M?nner bei Entscheidungen, bewegen sich frei und haben keine strenge Kleidervorschrift zu befolgen. M?dchen und Jungen lernen und spielen zusammen, M?nner und Frauen arbeiten zusammen.

Traditionell war bei den Adivasi der Gudalur-Region die Liebesheirat vorherrschend. Homosexualit?t allerdings ist auch bei den Adivasi wie insgesamt in der indischen Gesellschaft noch ein Tabu-Thema. Die Partner oder die Partnerin soll zwar aus der gleichen Adivasi-Gemeinschaft kommen, bei den Mullakurumba aber nicht aus dem gleichen Clan, doch ansonsten waren die M?dchen und Jungen frei in ihrer Wahl, Bekanntschaften zu schlie?en und Beziehungen einzugehen - Bei den Paniya galt ein M?dchen erst dann als fest gebunden, als verheiratet, wenn sie schwanger wurde. Scheidungen und neue Ehen waren m?glich und es oblag dem Paar und ihren Familien, zu regeln, wer die Kinder nach einer Trennung aufzog. Zum Teil werden diese relativ freien Regeln noch immer gelebt. Doch insgesamt zeigt sich der starke kulturelle Einfluss der Moralvorstellungen der indischen Mehrheitsgesellschaft auf die Adivasi: Immer mehr junge Adivasi sollen keine nichtehelichen Beziehungen f?hren, eine arrangierte Ehe eingehen und ihnen ist kaum bewusst, dass es im Zusammenleben der Adivasi vor einer Generation noch ganz anders war. Diese strengeren Moralvorstellungen werden auch immer wieder deutlich, wenn moralisches "Fehlverhalten" in den Teams diskutiert wird und Einzelne auch aus einem Team ausgeschlossen wurden. Dieser kulturelle Einfluss wirkt sich negativ auf die Stellung der Frau aus, auch wenn Adivasi-Frauen vergleichsweise noch gleichberechtigter sind. Unverheiratete oder verwitwete Frauen haben keine Diskriminierung zu bef?rchten, M?dchen werden gegen?ber Jungen nicht benachteiligt.

Ein Problem f?r die Frauen und Familien ist der Alkoholismus vor allem unter M?nnern. Die Adivasi-Gesundheitsorganisation ASHWINI k?mpft gegen Alholismus, Frauen schlie?en sich zusammen und treten ihren M?nnern entgegen.

Ammani, eine Adivasi der Paniya und Leiterin einer Adivasi-Frauengruppe, berichtete:
"Mein Mann ist ein guter Mann und unterst?tzt mich sehr. Aber er hatte angefangen zu trinken. Das ist etwas, was ich nicht tolerieren kann. Wir hatten im Sangam beschlossen, gegen Alkohol zu k?mpfen. Ich hatte ihn einige Male gewarnt. Eines Samstag Abends kam er wieder betrunken nach Hause. Ich schloss die T?r ab und sagte ihm: 'Du kannst die Nacht drau?en bleiben, betrunken wirst du dieses Haus nicht wieder betreten.' Es war eine harte Entscheidung, weil es Monsun war und regnete. Er bettelte: 'Wie kannst du so herzlos sein, ich werde krank.' Aber ich blieb dabei. Das war das letzte Mal, dass er betrunken nach Hause kam."

Teilen und Unterst?tzung

Teilen und Solidarit?t sind traditionell bestimmende Werte im Zusammenleben der Adivasi.

D?rte B. sagte als Theologie-Studentin nach ihrer ersten intensiven Begegnung mit Adivasi:
"Teilen ist schwierig. Es geht dabei nicht nur um das, was man auf den Tisch stellt, sondern darum, ob man alles teilen kann - diesen Unterschied habe ich von den Adivasi gelernt."

Die Gemeinschaft ist zentral f?r die Adivasi. Entscheidungen werden ausf?hrlich diskutiert und im Konsens getroffen, d.h. eine Entscheidung gilt erst dann, wenn sie von allen mitgetragen wird. Bei einer beratenden Dorfversammlung haben alle die gleiche Stimme bei Diskussion und Entscheidung - auch Kinder und Jugendliche: Als die Adivasi die ersten Dorfgruppen (Sangams) bildeten, um f?r Landrechte zu k?mpfen, legten sie einen niedrigen Monatsbeitrag von 10 Rupien fest, um das Gemeinschaftsgef?hl zu st?rken. Sogar ein Schuljunge wollte sich unbedingt im Sangam engagieren. Er zahlte seine Beitr?ge zuverl?ssig. Das Geld daf?r verdiente er selbst - auf dem Schulhof beim Murmelspiel. Bei den Diskussionen wurde er ebenso ernst genommen wie die Erwachsenen.

Ihr traditioneller Zusammenhalt ist die Grundlage der Basis-Entwicklungsarbeit der Adivasi. Weil alle Adivasi in Entscheidungen einbezogen werden und eine Idee nur dann umgesetzt wird, wenn alle dahinterstehen, bleiben Solidarit?t und Unterst?tzung lebendig. Deshalb sind die Adivasi mit ihrer Entwicklungsarbeit so erfolgreich, deshalb funktioniert hier wirkliche Hilfe zur Selbsthilfe.

So funktioniert die Hilfe zur Selbsthilfe:

Beim Projekt zur F?rderung von Gem?seanbau bei Adivasi ab 2015 funktioniert sie zum Beispiel so:

Das Problem der verbreiteten Mangelern?hrung bei Adivasi f?hrte zu der Idee, Adivasi-Familien mit Gem?sesamen und Anleitung beim Anbau von Gem?se zu unterst?tzen. Ein kleines Pilotprojekt mit wenigen Adivasi-Familien zeigte die Machbarkeit. Nun sollen bis zu 1.000 Adivasi-Familien von diesem Projekt profitieren.
Auf den monatlichen All Team Meetings des Adivasi-Netzwerks AMS w?hlen die Adivasi anhand von eigenen Kriterien aus, in welchen D?rfern das Projekt des Gem?seanbaus durchgef?hrt werden soll. Die in den D?rfern aktiven Animator/innen der Adivasi informieren die Dorfbewohner/innen auf den Dorftreffen ?ber gesunde Ern?hrung und die Idee des Projekts. Haben sich die Dorfbewohner/innen f?r das Projekt entschieden, wird es mit den Frauen des Dorfes durchgef?hrt. Sie erhalten Informationen zu gesunder Ern?hrung und Gem?seanbau und ein Set Samen und im weiteren Verlauf Beratung und Unterst?tzung. Die Frauen ziehen auch Samen heran, die an andere Familien weitergegeben werden. So kommt das Projekt im weiteren Verlauf noch mehr Adivasi-Familien zugute.

Die erste Herausforderung bei diesem Projek ist die Akzeptanz der Adivasi. Es ist etwas Neues f?r die Adivasi heute, zur Verbesserung der eigenen Ern?hrung gezielt Gem?se anzubauen. Solange die Familien und Dorfbewohner/innen nicht ?ber die Zutaten einer ausgewogenen Ern?hrung Bescheid wissen, die Bedeutung der Ern?hrung f?r ihre Gesundheit nicht verstehen und die gesunden Bestandteile bestimmter Gem?se und Nahrungsmittel nicht sch?tzen, wird f?r sie ein mit einem Teller Reis gef?llter Magen ausreichend sein.
Deshalb ist die Arbeit der Animator/innen des Adivasi-Netzwerks AMS so wichtig, zu informieren, aufzukl?ren, zu beraten, zu begleiten. Dies wird ber?cksichtigt: mit ausreichend
Zeit arbeiten die Animator/innen f?r die Akzeptanz des Projekts bei den Dorfbewohner/innen. Erst wenn diese hergestellt ist, wird mit dem Gem?seanbau begonnen.

Die zweite Herausforderung ist, das Projekt nicht f?r einzelne Familien, sondern mit dem ganzen Adivasi-Dorf durchzuf?hren, also jeweils mit mehreren Familien zusammen. Nur dann werden sich die Frauen und Familien beim Gem?seanbau und in der Ern?hrung mit Gem?se gegenseitig motivieren, beraten, unterst?tzen. Solidarit?t und Gemeinschaft werden gest?rkt statt durch Neid, Missgunst oder Boykott untergraben. Nur in gemeinschaftlicher Durchf?hrung ist ein nachhaltiger, langfristiger Nutzen gew?hrleistet. Der gemeinschaftliche Ansatz liegt in den Traditionen der Adivasi und wird von Anfang an in allen Aktivit?ten des Adivasi-Netzwerks AMS ber?cksichtigt. Auch deshalb ist die Arbeit der Animator/innen
mit allen Dorfbewohner/innen so wichtig.

Werte bewahren und sich mit anderen vernetzen

Das Adivasi-Netzwerk AMS kn?pft auch Kontakte ?ber die Region hinaus. Adivasi besuchten zum Beispiel 2004 das Weltsozialforum im indischen Mumbai, halfen 2005 nach dem Tsunami Adivasi-Fischer an der Ostk?ste mit personeller Unterst?tzung, besuchen Adivasi und Kooperativen in anderen Teilen Indiens und kooperieren mit ihnen auch in ihrem alternativen Handelsnetzwerk "Just Change".

Auch die regelm??ig von uns organisierten Besuche einer Gruppe von Adivasi in Deutschland tragen dazu bei, dass sich die Adivasi ihrer bewahrenswerten Traditionen und Werte bewusst werden.

Shanthi, eine Adivasi der Paniya und Lehrerin an der Adivasi, sagt nach ihrem Besuch in Deutschland:
"Mein Vater und die alten Leute haben uns immer gesagt, wie wichtig es ist, dass wir unsere Kultur bewahren. Aber f?r mich waren das nur Worte. Als wir Deutschland besuchten und so viele Menschen unsere Geschichten h?ren wollten, unsere Musik, unsere T?nze sehen wollten, das war beeindruckend. Ich habe ich verstanden, wie wichtig das Teilen ist, das wir Adivasi f?r so selbstverst?ndlich halten. Menschen, die ihren Sinn f?r Gemeinschaft und Teilen verloren hatten, beneideten uns. Erst da habe ich begriffen, wie wir das alles verlieren k?nnten, wenn wir es nicht bewahren. Indem wir unser Zuhause verlie?en, lernten wir, unser einfaches Leben viel mehr sch?tzen."

Eine besondere Herausforderung ist die Bewahrung traditioneller Werte der Adivasi wie Gen?gsamkeit, Teilen und solidarische Unterst?tzung in der heutigen Zeit. Der Wunsch, diese zu bewahren, bestimmen Diskussionen, Entscheidungen und die Entwicklungsarbeit der Adivasi. Auch wenn dies bedeutet, Ideen nicht schnell umsetzen zu k?nnen. Adivasi-L?den, welche Produkte des Handelsnetzwerks "Just Change" unter den Adivasi verkaufen, gibt es als sinnvolle Idee. Sie k?nnen aber erst aufgebaut werden, wenn sich die Adivasi ?ber deren Betrieb im Einklang mit ihren gemeinschaftlichen Traditionen gekl?rt haben. Denn ein Laden kann nicht funktionieren, wenn Nachbarn und Verwandte kostenlos profitieren. Aber gewollt Strukturen solidarischen Teilens zu boykottieren, w?re kontraproduktiv.

zur?ck